Waffenhandel

Weltweit sterben jährlich etwa 740.000 Menschen an den direkten und indirekten Folgen von Waffengewalt. Abseits vom Licht der Öffentlichkeit werden ganz offiziell Jahr für Jahr Waffenverkäufe im Wert von etwa 45-60 Milliarden US-Dollar bewilligt. Die Tatsache, dass der Handel mit Rüstungsgütern und Waffen in vielen Ländern dieser Erde zu schwer wiegenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beiträgt, findet indes nur wenig Beachtung. Ist der Waffenhandel außer Kontrolle?

Autor*in Rima Hanano, 31.03.13

Der Handel mit Waffen ist eines der korruptesten Geschäftsfelder der Welt. Trotz Embargo gelangen tausende Waffen in Krisengebiete wie die DR Kongo, nach Somalia oder in den Sudan. Repressive Regime, Warloards und andere militante Gruppen versorgen sich über graue und schwarze Rüstungsmärkte mit Waffen und bringen Tod, Leid und Gewalt vor allem über die Zivilbevölkerung. Aber auch in Industrieländern erfreuen sich Waffen zunehmender Akzeptanz und Beliebtheit. Die Tendenz zu gewalttätigen Konfliktlösungen nimmt weiter zu.

In den vergangenen Jahren sind die weltweiten Militärausgaben auf ein jährliches Volumen von 1,2 Trillionen US-Dollar angestiegen. Das Volumen des weltweiten Handels mit Waffen schätzt das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) auf 45 Milliarden US-Dollar jährlich. Der Großteil (2/3) aller Waffenverkäufe wird in Entwicklungsländer getätigt.

Aber nicht Panzer und anderes schweres Geschütz, sondern die so oft verharmlosten „Kleinwaffen” und „leichten Waffen“ fordern in Kriegen und Bürgerkriegen mehr Opfer als jede andere Waffenart (60%-90%). „Kleinwaffen sind die wahren Massenvernichtungswaffen unserer Zeit“, warnten bereits Vertreter von UNICEF und auch schon UN-Generalsekretär Kofi Annan im Jahr 2001. Rund 650 Millionen kleiner Waffen gibt es gegenwärtig weltweit, davon alleine 30 Millionen in der Krisenregion Sub-Sahara Afrika.

Kleine und leichte Waffen sind die Waffen der Warloards, des Terrorismus, des organisierten Verbrechens und die Waffen, mit denen heute weltweit über 300.000 Kinder als Soldaten in den Krieg geschickt werden. Kleine Waffen erfreuen sich aber auch in privaten Haushalten reicher Industrieländer zunehmender Beliebtheit. Die AK-47 gehört zu der am weitest verbreitetsten Waffe weltweit und dominiert die unzähligen Konflikte in Afrika. Nach Angaben der UN benötigt ein Kind gerade mal 40 Minuten, um ein solches Gewehr bedienen zu können. Weltweit existieren derzeit noch 100 Millionen Exemplare der Kalaschnikow.

**Bei Kleinwaffen und leichten Waffen (Small Arms and Light Weapons (SALW)) handelt es sich nach UN-Definition um Waffen, die für die Verwendung von Einzelpersonen oder mehreren Personen gedacht sind. Dazu gehören unter anderem Revolver, Pistolen, Schnellfeuergewehre und Maschinenpistolen, schwere Maschinengewehre, Mörser, Handgranaten und Granatwerfer.    

Keine andere Waffe wurde in größerer Zahl produziert als die AK Serie. Sie wurde und wird immer noch weltweit in Konflikten eingesetzt.

Waffenhandel: Eine Bedrohung für die Menschenrechte, für Frieden und für die Demokratie

Zwei von drei Kriegsopfern –vorrangig Zivilisten-  sterben durch Gewehrkugeln. Jährlich verlieren weltweit nach einer Untersuchung des Small Arms Survey mehr als 500.000 Menschen durch Leichtfeuerwaffen ihr Leben, 300.000 davon in bewaffneten Konflikten. Alleine der Bürgerkrieg in der DR Kongo forderte zwischen 1989 und 2003 4 Mio. Tote – und das obwohl kaum großes Kriegsgeschütz oder flächendeckende Bombardierungen eingesetzt wurden. Aber auch jenseits der Krisenherde sterben jährlich 200.000 Menschen durch Mord oder Schießereien, davon alleine 30.000 Menschen in den USA. In Ländern wie Brasilien, den USA oder Südafrika zählen Schüsse zu den häufigsten Todesursachen bei jungen Männern. Die Tendenz zu gewalttätigen Konfliktlösungen nimmt weiter zu.

Der Handel mit Waffen ist nach Meinung von NROs einer der Hauptgründe für Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des internationalen Völkerrechts. Wo Waffenbesitz nicht kontrolliert wird, hat die Zivilbevölkerung zu leiden. Waffen tragen nicht nur maßgeblich zur Eskalation von Konflikten bei und fordern jährlich 740.000 Todesopfer, sondern verschärfen Konflikte und erschweren eine friedliche Lösung. Sie destabilisieren Gesellschaften, zersetzen Staaten und können die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes hemmen.

In manchen Ländern, wie etwa in Pakistan, verschlingen die Ausgaben für Rüstungsgüter den Großteil des Staatshaushaltes und damit mehr Geld, als für Bildung, Infrastruktur und Gesundheit zusammen ausgegeben wird. So gibt nach Schätzungen von Oxfam etwa ein Drittel aller Länder mehr Geld für militärische Zwecke als für das Gesundheitswesen aus.

Waffen außer Kontrolle: Der unkontrollierte Handel mit Rüstungsgütern

Die NRO Oxfam nennt als zentrale Probleme in Verbindung mit dem Waffenhandel vor allem die grenzenlose Verfügbarkeit von Waffen und die zunehmende Aufweichung von Standards im sog. „Kampf gegen den Terror“. Nach Meinung von Experten liegt das Hauptproblem im illegalen und privaten Besitz von Kleinwaffen und im Handel mit ihnen.

Vor dem Hintergrund der Globalisierung bietet die zunehmende Internationalisierung des Waffenhandels zahlreiche Schlupflöcher in den bestehenden staatlichen und internationalen Systemen der Rüstungsexportkontrolle. Während der Großteil der Waffen zunächst ganz offiziell und legal durch Regierungen an diverse Empfängerstaaten geleitet wird, entziehen sich die gelieferten Waffen dann jeglicher Kontrolle. Der Endverbleib der Waffen wird unzureichend oder gar nicht kontrolliert.

Ein Großteil des globalen Waffenhandels umfasst nach offiziellen Angaben Rüstungsgüter, die nach rechtlichem Standard legal und offiziell für legitime Zwecke bestimmt sind, wie etwa die nationale Selbstverteidigung, UN-Friedensmissionen oder rechtsstaatliche Polizeiaufgaben. Tatsächlich stammen jedoch 80-90% aller illegalen Kleinwaffen nach Angaben von Oxfam ursprünglich aus dem staatlich sanktionierten Handel. Auch das ehemalige Standardgewehr der Bundeswehr, die G3 von Heckler & Koch kam bei den bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Kenia im März 2008 zum Einsatz. Weltweit sind nach Schätzungen von Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und Vorsitzender des Rüstungsinformationsbüros (RIB), etwa zehn Millionen G3-Gewehre im Umlauf. Seiner Meinung nach gibt es nahezu keinen Bürgerkrieg oder Krieg, in dem nicht Waffen des deutschen Unternehmens Heckler & Koch verwendet werden.

Die Konsequenzen unkontrollierter Rüstungstransfers sind für die Zivilbevölkerung katastrophal.

Waffenhandel mit Embargo-Staaten

Embargostaaten wie China, Somalia oder Liberia und Rebellengruppen in Kolumbien oder Sri Lanka erhalten auf Umwegen oder direktem Wege ohne Probleme Waffen, Munition, schweres Kriegsgerät, „Know How“ oder Lizenzen zur Produktion. Kleinwaffen und leichten Waffen können in vielen Ländern dieser Erde problemlos und preiswert sowohl legal als auch illegal erworben werden. Ein AK-47-Sturmgewehr ist an vielen Orten schon für weniger als 15 Dollar zu haben.

Nach einer Untersuchung des Graduate Institute of International and Development Studies ist die Entwendung aus staatlichen oder zivilen Arsenalen und die Umleitung von Waffentransporten an nicht autorisierte Endnutzer eine wesentliche Beschaffungsquelle für Klein- und leichte Waffen. In Nordkenia stammt beispielsweise 40 Prozent der auf dem Schwarzmarkt angebotenen Munition aus Beständen der kenianischen Sicherheitskräfte.

Doch immer wieder werden Embargos aber auch ganz offiziell, auf direktem Wege missachtet und Waffen an Regime verkauft, die Menschenrechte missachten und die Bevölkerung unterdrücken. So hat Frankreich auch trotz EU Waffenembargo weiterhin Rüstungsgüter an Myanmar (Burma) und den Sudan geliefert. Simbabwe wird seit Beginn der 80er Jahre kontinuierlich aus China mit Waffen und militärischer Ausrüstung versorgt und auch die Bundesregierung hat bisher keine plausible Erklärung dafür liefern können, unter welchen Umständen das moderne G36-Gewehr in die Hände georgischer Sicherheitskräfte gelangt ist.

Der Handel mit Waffen im globalen Vergleich

Der Handel mit Waffen ist ein blühendes Geschäft, dass sich die meisten Staaten ungeachtet der katastrophalen Konsequenzen nicht entgehen lassen wollen. Wer, wie viele und welche Waffen tatsächlich handelt, ist aufgrund mangelnder Transparenz nur schwer zu erfassen. Moderne Waffensysteme bestehen aus einer Vielzahl von einzelnen Bauteilen aus aller Welt und machen den Markt zunehmend undurchsichtig.

80 % der Waffenverkäufe wurden nach offiziellen Angaben im Zeitraum 2000 bis 2007 von den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates der UN (USA, Russland, FR, GB, China) sowie Deutschland und Italien getätigt. Deutschland nimmt nach dem Rüstungsexportbericht 2008 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) im internationalen Vergleich von Rüstungsexporteuren den fünften Platz ein. Nach einer Untersuchung des SIPRI-Institutes belegt Deutschland sogar den dritten Platz. An erster Stelle steht die USA, gefolgt von Russland.

Das Graduate Institute of International and Development Studies kommt im Small Arms Survey 2012 zu dem Ergebnis, dass die bedeutendsten Exportländer von Klein- und leichten Waffen im Jahr 2009 die Vereinigten Staaten, Italien, Deutschland, Brasilien, Österreich, Japan, die Schweiz, die Russische Föderation, Frankreich, Südkorea, Belgien und Spanien waren. Nach Angaben der Kampagne „Control Arms“ produzieren über 1135 Unternehmen in mehr als 98 verschiedenen Ländern kleine Waffen, Komponenten und Munition. Weltweit werden jährlich 8 Millionen Leichtfeuerwaffen produziert.

Zu den größten Importeuren von Klein- und Leichtwaffen gehörten 2009 die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Saudi-Arabien, Australien, Kanada, Deutschland und Frankreich.

Waffen „Made in Germany“

Die GKKE zeichnet in ihrem Rüstungsexportbericht 2011 ein düsteres Bild von der Entwicklung deutscher Rüstungsexporte. Deutschland ist weltweit einer der größten Rüstungsexporteure. So hatten die deutschen Ausfuhren von konventionelle Großwaffen zwischen 2006 und 2010 einen Anteil von 11% am weltweiten Handel. Im selben Zeitraum stiegen deutsche Rüstungsexporte um 96% gegenüber dem Zeitraum zwischen 2001 und 2005. In Deutschland produzieren mehr als 279 Unternehmen Militärgüter, Sicherheitstechnologien oder Ausstattung für die Polizei.  Im Jahr 2010 exportierte die Bundesrepublik laut Rüstungsexportbericht 2011 Kriegswaffen im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar. Damit rangiert Deutschland als Waffenexporteur an dritter Stelle hinter den USA und Russland.

Wie viel Kriegsgerät tatsächlich exportiert wird, ist nur schwer zu erfassen. So steckt „Made in Germany“ viel häufiger in Waffen, als von außen erkennbar, da deutsche Rüstungskomponenten selten bis gar nicht in Untersuchungen zum Export von Waffen miteinbezogen werden. Die offizielle deutsche Rüstungsexportstatistik erfasst sogar nur Ausfuhren von Rüstungsgütern, die unter die Kriegswaffenliste gemäß Kriegswaffenkontrollgesetz fallen.

Obwohl Deutschland vergleichsweise restriktive Gesetze zur Kontrolle von Rüstungsgütern und Waffenhandel hat, sind diese Bestimmungen nach Meinung von Experten relativ leicht zu umgehen.

Waffen unter Kontrolle: Kampagnen zur Rüstungskontrolle

Die Kontrolle des Waffenhandels, insbesondere von Kleinwaffen und leichten Waffen einschließlich ihrer Munition, ist wesentliches Element von Krisenprävention und Friedenskonsolidierung.

Obwohl staatliche Rüstungskontrollen zu kurz greifen und UN-Waffenembargos – die einzigen globalen und verbindlichen Verbote für Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete – immer wieder unterlaufen werden, wird von den großen Rüstungsexporteuren wenig unternommen, um den Handel mit Waffeln zu kontrollieren. Bisher legen nur knapp vierzig Staaten regelmäßig Rüstungsexportberichte vor.

Vertreter von NROs warnen seit Jahren, dass der Waffenhandel außer Kontrolle ist und drängen zu einem rechtsverbindlichem internationalen Gesetz, um den internationalen Handel mit Waffen besser zu kontrollieren.

Die Kampagne “Control Arms”, die von Amnesty International, dem International Action Network on Small Arms und Oxfam International unterstützt wird, fordert seit 2003 ein rechtsverbindliches internationales Gesetz, einen „Arms Trade Treaty“ (ATT), zur Kontrolle des Waffenhandels, der den Missbrauch von Waffen in Bürgerkriegen, für Terrorismus und Gewaltkriminalität eindämmt.

Die Bemühungen um ein Exportkontrollregime unter dem Dach der Vereinten Nationen scheiterten bisher am Widerstand der großen Rüstungsnationen. Als es im Oktober 2006 zu einer Abstimmung über eine erste Resolution ‚Towards an Arms Trade Treaty‘ kam, stimmte die USA als einziger Staat gegen den Konsultationsprozess eines „Arms Trade Treaty“. China und Russland enthielten sich.

Ende 2008 hatte die 63. UN- Generalversammlung der Vereinten Nationen mit großer Mehrheit (133 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme, 19 Enthaltungen) eine Resolution für den weiteren Verhandlungsprozess zu einem Abkommen zur Kontrolle des Handels mit konventionellen Rüstungsgütern (Arms Trade Treaty) beschlossen. Die neue Resolution legt fest, dass 2009 eine Gruppe aus Regierungsexperten mit konkreten Verhandlungen über ein Kontrollabkommen beginnen. Der Arms Trade Treaty wurde somit im Juli 2012 erneut in der UN-Vollversammlung verhandelt – ergebnislos.

Ungeachtet der verheerenden Wirkung des weltweiten Waffenhandels fehlt offensichtlich bislang der politische Wille für schärfere Kontrollen, wodurch der internationale Waffenhandel weiter floriert.

Quellen und Links

überarbeitet von Natalie Schmidthäussler I RESET-Redaktion (2013)

Vergessene Krisen

Das Leid von Millionen von Menschen in Konflikt- und Krisengebieten bleibt für die Weltöffentlichkeit weitestgehend unsichtbar. Über Krisen wie die in der Zentralafrikanischen Republik, in Somalia oder in Sri Lanka wurde 2007 - wie auch in den vorangegangenen Jahren - in den Medien kaum berichtet. Auf der Liste der vergessenen Krisen 2007 von Ärzte ohne Grenzen stehen auch die Demokratische Republik Kongo, Kolumbien, Myanmar (Burma), Simbabwe, Tschetschenien, Tuberkulose und Mangelernährung.