Der Fluch natürlicher Ressourcen: Trotz Rohstoffreichtum bettelarm

Die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Sierra Leone, Liberia, Angola, der Tschad. Länder, die über große Rohstoffvorkommen verfügen, aber weit davon entfernt sind, Armut und Hunger im eigenen Land zu überwinden. Der Reichtum an Öl, Kupfer oder Edelsteinen könnte eine Quelle für Entwicklung sein. Statt Wohlstand grassieren in diesen Ländern in der Realität jedoch Krieg und Gewalt. Der Reichtum wird zum Fluch. Keine zufällige Erscheinung.

Autor*in Rima Hanano, 04.12.08

Die US-Ökonomen Jeffrey Sachs und Andrew Warner kamen 1995 in ihrer Arbeit „Natural Resource Abundance and Economic Growth“ zu dem überraschenden Ergebnis, dass Länder mit Ressourcenreichtum ein langsameres Wirtschaftswachstum erfahren, als ressourcenarme Länder. Die Rede ist vom „Fluch der Ressourcen“. Ein Fluch mit System. Denn Länder, die von ihren Rohstoffexporten leben, sind -gemessen an ihrem Ressourcenreichtum- unterentwickelt. Sie haben im internationalen Vergleich nicht nur einen geringeren Human Development Index, sondern leiden zudem unter größerer Korruption, politischer Instabilität und größerer Armut als ressourcenärmere Länder.

Die Zivilbevölkerung gehört zu den Leid tragenden des vermeintlichen Segens. Der Ressourcenabbau geht vor Umweltschutz und auch vor Menschenschutz. In Nigeria wird die Umwelt durch Unfälle und das Verbrennen von Gas verseucht. In Ghana zerstört großflächiger Goldtagebau die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung und auch im Sudan mussten viele Menschen den Pipelines weichen.

Unterentwicklung durch Reichtum?

Die Abhängigkeit von Rohstoffen ist in vielen Ländern gleichermaßen Ursache und Folge von Unterentwicklung. Denn geht es um die begehrten natürlichen Ressourcen, dann geht es gleichzeitig um nationale wie internationale Politik, um sozioökonomische Entwicklung, um Umwelt, Frieden, Menschenrechte und Demokratie.

Wo ein Land mit natürlichen Ressourcen gesegnet ist, da sind oft autoritäre Regime an der Macht. Durch Korrumpierung der Machthaber bereichern sich Eliten und Interessensgruppen an den Rohstoffen, während die Zivilbevölkerung leer ausgeht. Statt in eine breite soziale und wirtschaftliche Entwicklung, fließen Einnahmen aus dem Ressourcengeschäft in Waffen und nicht selten in die Taschen korrupter Eliten. In Infrastruktur wie Straßen, Schulen oder Gesundheit wird dagegen kaum ein Cent investiert. Die Militärausgaben hingegen sind in der Regel hoch. Bei den OPEC-Staaten etwa, verschlingen sie 1/5 der Staatsausgaben und liegen damit weit über den Ausgaben für Bildung oder Gesundheit.

Hinzu kommen Phänomene wie die „Holländische Krankheit“, die oft von Rohstoffländern heimgesucht wird und den ohnehin oftmals vernachlässigten übrigen Exportsektor durch eine Überbewertung der Landeswährung schwächt, während Importe stark ansteigen. Preisabstürze bei Rohstoffen können die rohstoffabhängigen Ökonomien zusätzlich ins Verderben stürzen.

Natürliche Ressourcen in Afrika: Für die einen ein Fluch, für die anderen ein Segen

An Afrika, wo in den vergangenen Jahren ein Viertel der globalen Neuentdeckungen von Ölreserven lagen, scheint der Fluch augenscheinlich besonders hartnäckig zu haften. Die jährlichen Einnahmen der bedeutendsten 8 Ölländer Afrikas lagen bereits im Jahr 2005 bei 35 Mrd. US$. Trotz dessen leben 300 Millionen Afrikaner täglich von weniger als einem Dollar.

Nicht nur Nigeria, größter Ölproduzent in Subsahara-Afrika und sechstgrößter Produzent der Welt, ist zum Synonym für Korruption und Misswirtschaft geworden. Ressourcenreiche Länder wie Sierra Leone oder die DR Kongo schneiden im „Corruption Perceptions Index“ von Transparency International schlecht ab und liegen im internationalen Vergleich durchweg auf den hintersten Plätzen. In Angola sind nach einer Untersuchung von Global Witness zwischen 1997 und 2002 mehr als vier Milliarden US$ an staatlichen Erdöleinnahmen spurlos verschwunden.

Ressourcen sind Konfliktpotenzial

Lebt ein Land überwiegend von seinen Bodenschätzen, so steigt das Konfliktrisiko von einem halben auf 23 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für bewaffnete Konflikte liegt für diese Länder also weitaus höher als für ressourcenarmen Ländern. Wo es vordergründig oft um ethnische Konflikte geht, zeigt ein Blick hinter die Kulissen, dass es oftmals um mehr noch, nämlich um die Kontrolle der immer begehrteren Rohstoffe geht. Bodenschätze sind nach Meinung von Paul Collier, Ökonom an der Columbia University, ein wesentlicher Risikofaktor und mittlerweile bedeutender als historische, ethnische oder geografische Motive.

Bei den vergangenen Bürgerkriegen im Kongo, in Angola und im Sudan spielten Bodenschätze eine entscheidende Rolle, wobei es vor allem um die Verteilung der Rohstoffe ging.

Die Erlöse aus den Rohstoffen finanzieren Kriege und sorgen dafür, dass aus Milizen und Warloards mit primitiven Waffen, Armeen mit schwerer Artillerie und politischem Programm werden. Durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen werden Gewaltökonomien finanziert und gewaltsame Konflikte verlängert. In Angola und Sierra Leone haben die sog. Blutdiamanten nachweislich den Bürgerkrieg finanziert. Holzverkauf finanzierte die Menschenrechtsverletzungen der Roten Khmer in Kambodscha.

Wo Rohstoffe nicht der Auslöser für Kriege sind, bereichern sich nach Meinung des Deutschen Institut für Menschenrechte Konfliktparteien oftmals illegal „im Windschatten des Krieges“. 2002 beschuldigte die UNO die Armeen von sechs afrikanischen Staaten, Rohstoffe illegal während des Krieges geplündert zu haben.

Vom Fluch zum Segen 

Botswana

Positive Beispiele wie Botswana, Chile, Norwegen und Brasilien zeigen, dass natürliche Ressourcen nicht per se einen Fluch bedeuten müssen und durchaus zum Wohlstand eines Landes beitragen können, statt ihn zu blockieren. Ob Rohstoffe für ein Land zum Fluch oder Segen werden, entscheidet die Regierungsqualität (Good Governance) in diesen Ländern.

Das Vorzeigeland des afrikanischen Kontinents, Botswana, hat durch seinen Diamantenreichtum über mehrere Dekaden ein erhebliches Wirtschaftswachstum realisiert und ist so von einem der ärmsten Länder Afrikas zu einem Erfolgsbeispiel geworden. Heute ist das Land der weltgrößte Exporteur für Diamanten. Das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung steigt Jahr für Jahr und Botswana investiert: In Bildung und Gesundheit.

Auch für Norwegen, den drittgrößten Erdölexporteur bedeutet der Rohstoffreichtum einen Segen. Die Erlöse der Erdöleinnahmen fließen, ähnlich wie in Botswana, in einen Fond und kommen vor allem der norwegischen Bevölkerung zu Gute. Investitionen in Rüstungskonzerne sind tabu.

Die Rolle der globalen Rohstoffmärkte

Viele Länder haben aufgrund schwacher Institutionen oder vielfältiger starker Interessensgruppen denkbar schlechte Vorraussetzungen um „Good Governance“ zu praktizieren, weswegen der Handel mit den Konfliktrohstoffen eine ganz entscheidende Rolle für die Zukunft von Ländern wie bspw. dem DR Kongo, Nigeria oder dem Sudan spielt. Denn ob Konfliktparteien und korrupte Eliten in der Lage sind, natürliche Ressourcen auszubeuten, hängt im Wesentlichen von ihrem Zugang zu globalen Rohstoffmärkten ab.

Die NRO Global Witness wirft Unternehmen vor, zu wenig darauf zu achten woher die Rohstoffe kommen. Gefragt ist eine Rohstoffpolitik, die sich an den international anerkannten Menschenrechten, Sozial- und Umweltstandards orientiert. Aber „Solange die Mehrzahl der Verbraucher an der Zapfsäule nicht nach Entwicklungsöl verlangt, das der breiten Bevölkerung in Entwicklungsländern zugute kommt, fehlt der Agenda für Transparenz und gute Regierungsführung ein entscheidender Baustein“, gibt das Deutsche Institut für Menschenrechte zu bedenken.

Was zählt, ist der politischer Wille für eine verantwortungsvolle Ressourcenpolitik

»Mit dem Verkauf dieses Handys werden keine Kriege in Afrika finanziert« – ein solcher Aufdruck auf Handy-Verpackungen ist nach Meinung des Deutschen Institut für Menschenrechte noch lange nicht in Sicht.

Als Meilenstein in Sachen Ressourcenkontrolle gilt das 2002 getroffene Kimberly-Abkommen, welches den Handel mit zumindest einem Konfliktrohstoff, nämlich den sog. Blutdiamanten, ausdrücklich untersagt. Für Rohstoffe, die in manchen Regionen zu Konfliktrohstoffen werden, wie etwa Coltan aus der DR Kongo oder Erdöl, existiert bisher kein derartiges Abkommen.

Die Durchsetzung eines internationalen Konsenses für eine verantwortungsvolle Ressourcenpolitik im Hinblick auf strategische immer knapper werdende Ressourcen wie etwa Erdöl, gestaltet sich als überaus schwierig. Für viele Länder geht es in erster Linien um die langfristige Versorgung ihrer Wirtschaft mit Öl, Gas, Edelsteinen wie Diamanten, Wasser, Holz und Mineralien wie Cobalt, Coltan, Kupfer, und Gold. Die Entwicklung der Länder, in denen die Rohstoffe liegen ist zweitrangig.

Dennoch gibt es internationale Bemühungen wie die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) die Publish What You Pay (PWYP) Kampagne die zumindest der Korruption im internationalen Rohstoffhandel durch Transparenz den Nährboden zu entziehen wollen:

*Die Publish What You Pay (PWYP) Kampagne, ist eine Kampagne der Zivilgesellschaft und wird von mehr als 350 NRO getragen. Forderungen sind eine Offenlegung von Zahlungen an Regierungen, der Länder in denen die Erdöl Konzerne operieren.
*Auch die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), eine Initiative von Regierungen und der Zivilgesellschaft, verfolgt das Ziel die Korruption bei der Rohstoffausbeutung zu bekämpfen. Dazu gehören die Veröffentlichungen aller Zahlungen der Unternehmen im Erdöl-, Erdgas- und Bergbausektor an die Regierung in einer transparenten und nachvollziehbaren Weise nach den Kriterien von EITI.

Bereitschaft zur Umsetzung der EITI-Prinzipien haben bisher 22 Länder erklärt. Bisher haben aber nur sieben Länder auf nachvollziehbare Weise die Einnahmen aus dem Rohstoffsektor offen gelegt. Auch die aufstrebenden Nationen China und Indien, die zu den großen Energienachfragern auf dem Weltmarkt gehören,  verweigern sich bisher dieser Initiative.

Deutschlands Beitrag zu einer zukunftsfähigen Rohstoffpolitik

Beim 2. BDI-Rohstoffkongress im März 2007 betonte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel dass die Bundesregierung mehr Transparenz bei der Gewinnung, Weiterverarbeitung und beim Handel mit Rohstoffen will und bewertete die ’Extractive Industries Transparency Initiative’ als einen viel versprechenden Ansatz.

Auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands und der darin enthaltenen „Strategie für eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft“, steht die Sicherung der Verfügbarkeit von Ressourcen im Mittelpunkt. Die Bundesregierung betont jedoch, diese unter der Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu verfolgen und diese auch international weiter voran treiben zu wollen.

Quellen und Links

Eine Kupfermine in der Nähe von Chingola, Zambia
  • Agenda 21 Treffpunkt, http://www.agenda21-treffpunkt.de/dossier/Rohstofffluch.htm
  • Bardt, Hubertus (2005), Rohstoffreichtum – Fluch oder Segen?
  • Brot für die Welt (2007), Bodenschätze: Wirtschaftsfaktor oder Konfliktpotenzial.
  • Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2008), Entwickelt Öl?
  • Bundesregierung (2008), Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
  • Bannon, Ian/Collier, Paul (2003), Natural Resources and Violent Conflict: Options and Actions.
  • Global Witness (2004), Time for Transparency: Coming Clean on Oil, Mining and Gas Revenues.
  • Global Policy Forum, The Dark Side of Natural Resources, http://www.globalpolicy.org/security/docs/minindx.htm
  • Glüsinger, Jens et al.(2007), Der Fluch der Ressourcen in Spiegel-Online, http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,449715,00.html
  • Heinrich Böll Stiftung (2007), Haben und Nichthaben, Verantwortungsvolle Ressourcenpolitik im 21. Jahundert.
  • Heinrich Böll Stiftung (2007), Natural Resources and Conflict.
  • KFW (2006), Paradox des „schwarzen Goldes“ oder neue Hoffnung für die Armen? Chancen und Risiken des afrikanischen Ölbooms.
  • Sachs, Jeffrey D. / Warner, Andrew M. (2001), Natural Resources and Economic Development: The curse of natural resources.
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