Kinderarbeit – Warum arbeiten Kinder?

Laut UN-Kinderrechtskonventionen hat jedes Kind das Recht zu spielen, zur Schule zu gehen, eine Ausbildung zu machen und sich zu erholen. Für weltweit mehr als 168 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren sieht die Realität nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) jedoch ganz anders aus.

Autor*in Rima Hanano, 26.02.24

Übersetzung Julian Furtkamp:

Laut UN-Kinderrechtskonventionen hat jedes Kind das Recht zu spielen, zur Schule zu gehen, eine Ausbildung zu machen und sich zu erholen. Für weltweit mehr als 168 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren sieht die Realität nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) jedoch ganz anders aus.

Von den weltweit 168 Millionen Kinderarbeiter*innen arbeiten nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) 78 Millionen Kinder in Asien, 59 Millionen Kinder in Afrika und der südlichen Sahara sowie 12,5 Millionen Kinder in Latein- und Mittelamerika. Der Großteil, etwa 59 Prozent dieser Kinder, arbeitet im verborgenen informellen Sektor wie beispielsweise auf der Straße oder in der Landwirtschaft. Sie bestellen Felder, bringen die Ernte ein, sprühen Insektizide und bedienen Maschinen.

Die Zahlen der Kinderarbeit sind laut IAO seit dem Jahr 2000 um 94 Millionen zurückgegangen, dennoch ist Kinderarbeit immer noch ein weltweites Problem.

Produkte aus Kinderhand: Baumwolle, T-Shirts, Kaffee, Tee …

Baumwolle, T- Shirts, Kaffee, Kakao, Tee, Natursteine, Kosmetik, Reis und Früchte – die Liste der aus Kinderhand produzierten Waren ist lang und sie werden in die ganze Welt exportiert. Mehr als die Hälfte des Kakaos, der in Deutschland verarbeitet wird, stammt von der Elfenbeinküste, wo mehr als 600.000 Kinder in der Kakaoherstellung arbeiten.

Wer in den ärmsten Ländern der Welt über lange Lieferketten produzieren lässt, kann nach Meinung von UNICEF Deutschland, Kinderarbeit nicht ausschließen. So können und beziehungsweise oder wollen Discounter, aber auch Edelmarken selten Auskunft geben, ob Kinder in ihren Zulieferbetrieben beschäftigt werden.  Es sind die westlichen Märkte, aber auch wir als Konsument*innen, die am Ende dieser Lieferkette von den niedrigen Preisen profitieren und gebrauch machen.

Kinderarbeit ist nicht gleich Kinderarbeit

Während sich viele NROs die grundsätzliche Bekämpfung und Abschaffung von Kinderarbeit zum Ziel gesetzt haben, vertreten einige internationale Organisationen wie die IAO oder terre de homes die Auffassung, dass nicht jedes Kind, welches arbeitet, als gefährdet gilt und auch nicht jede Form der Kinderarbeit bekämpft werden muss und kann. Bekämpft werden wohl aber jegliche Formen ausbeuterischer Kinderarbeit. Von 169 Ländern ratifiziert wurden Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten ausbeuterischen Formen der Kinderarbeit.  Zu den schlimmsten Formen ausbeuterischer Kinderarbeit zählen nach einer international anerkannten Definition der IAO unter anderem:

* Sklaverei und Schuldknechtschaft sowie alle Formen der Zwangsarbeit
* Kinderprostitution und -pornografie
* Der Einsatz von Kindern als Soldaten
* Illegale Tätigkeiten wie zum Beispiel Drogenschmuggel
* Arbeit, die die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit gefährdet, also zum Beispiel Arbeit in Steinbrüchen, das Tragen schwerer Lasten oder sehr lange Arbeitszeiten und Nachtarbeit

Zusätzlich hat UNICEF Kriterien festgelegt, die anzeigen, wann Kinderarbeit als schädliche Ausbeutung bezeichnet werden muss. Das ist der Fall, wenn
* Kinder vollbeschäftigt werden
* Kinder zu viel Verantwortung tragen * Kinder unter langen Arbeitszeiten und schlechter Bezahlung leiden
* die Arbeit langweilig und monoton ist
* das Arbeitsumfeld gefährlich ist, zum Beispiel unter Tage oder auf der Straße
* die Arbeit sie körperlich oder seelisch zu stark belastet
* keine Zeit und Kraft mehr für die Schule und zum Lernen bleiben.

Warum arbeiten Kinder?

Bei Umfragen, ob Kinder in die Schule gehen oder arbeiten sollen, plädieren unabhängig vom Land nahezu 100 Prozent der Befragten für die Schule. Die materielle Armut gilt als Hauptursache für Kinderarbeit, da viele Familien ohne die Mithilfe ihrer Kinder schlichtweg nicht überleben könnten.

Auch mangelnde Bildung gilt als Ursache und Folge von Kinderarbeit. Die wenigsten Kinder, die arbeiten, besuchen eine Schule und erhalten damit nur eine geringe Chance auf einen höher qualifizierten Job. Studien belegen zudem, dass Kinderarbeiter*innen auch ihre eigenen Kinder häufig wieder zur Arbeit schicken und damit ganze Generationen in diesem Teufelskreis gefangen sind. Vor allem in Südasien werden Kinder zudem in Schuldknechtschaften hineingeboren. Sie leben  durch Schuldverhältnisse, die von Generation zu Generation weitervererbt werden, in sklavenähnlichen Verhältnissen.

„Achten statt Ächten“

Die Abschaffung der Kinderarbeit gilt als eine der größten Errungenschaften der westlichen Welt. Nach einer  Studie des US-Arbeitsministeriums bleiben Gesetze gegen ausbeuterische Kinderarbeit auf nationaler Ebene jedoch oftmals wirkungslos. So müssen trotz Ratifizierung der Übereinkommen und nationaler Verbote gegen ausbeuterische Kinderarbeit weltweit schätzungsweise 126 Millionen Kinder tagtäglich unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen schuften.

In Indien arbeiten trotz eindeutiger Rechtslage mehr Kinder als in jedem anderen Land. Mehrere Zehnmillionen Kinder arbeiten hier trotz Schulpflicht und Verbot. Alleine für die Steinindustrie belegen Studien, dass mehr als 15 Prozent der eine Million Beschäftigten in den indischen Steinbrüchen Kinder sind. In Bangladesch müssen fast 7 Millionen Kinder für ihr Überleben und das ihrer Familien arbeiten.

Die pauschale Forderung nach einer Abschaffung der Kinderarbeit ist in vielen Ländern des Südens ohne die Schaffung geeigneter Alternativen nach Meinung internationaler Organisationen unvereinbar mit der realen Lebenssituation vieler Familien. In der Vergangenheit führten pauschale Verbote zu einer Kriminalisierung arbeitender Kinder und damit zu einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen.

In den 70er Jahren begannen sich arbeitende Kinder in Lateinamerika und später auch in Afrika und Asien selbst zu organisieren. In Nicaragua fordern Kinder der Organisation NATRAS sogar ein Recht auf Arbeit unter dem Motto „Achten statt Ächten“. Auch in Peru haben sich Kinder in der Organisation MANTHOC (Movimiento de Niños Trabajadores Hijos de Obreros Cristianos) zusammengeschlossen um gegen ihre Ausbeutung vorzugehen und so ihre Rechte und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Alternativen schaffen

Die Schaffung von echten realitätsnahen Alternativen hat sich in vielen Fällen als wirksameres Mittel herausgestellt als die bloße Boykottierung von Produkten aus Kinderhand. „Die wirksamste Waffe gegen Ausbeutung von Kindern ist Bildung. Wer etwas gegen Kinderarbeit tun will, sollte Bildungsprojekte unterstützen“, so die Kinderarbeitsexpertin Pins Brown von der britischen Organisation Anti Slavery International.

So zahlt die brasilianische Regierung Eltern, die ihre Kinder in die Schule schicken, mittlerweile ein Unterhaltsgeld. Einen vielversprechenden Ansatz, der Arbeit und Schule vereint, verfolgt die Sekem Farm in Ägypten unweit von Kairo. Hier arbeiten Kinder zwischen 12 und 15 Jahren täglich mehrere Stunden auf Kamillenplantagen – allerdings unter einer Bedingung: Dass die Kinder eine Schule besuchen.

Alles eine Frage des nachhaltigen Konsums?

Obwohl Kinderarbeit mit Sicherheit nicht nur eine Frage des nachhaltigen Konsums ist, gilt es als Konsument*in zumindest Produkte zu meiden, die aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen.  Leider lassen bisher die wenigsten Produkte Schlussfolgerungen zu, ob sie aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen. Produkte, die mit Sicherheit nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammen sind mit international anerkannten Siegeln wie TransFair, Gepa, Care&Fair, Flower Label, Hand in Hand oder Rugmark gekennzeichnet.

Einen Überblick über namhafte Unternehmen und deren Politik zu Kinderarbeit beziehungsweise ihr Engagement gegen ausbeuterische Kinderarbeit bietet der Blog des Aktionsnetzwerks gegen ausbeuterische Kinderarbeit. Auch die „Kampagne für Saubere Kleidung“ bietet einen Überblick über Unternehmen, die laut Unternehmenspolitik auf ausbeuterische Kinderarbeit verzichten.

Weiterführende Quellen und Links

Dieser Artikel wurde im September 2013 erstmalig veröffentlicht. Im Februar 2024 wurde der Artikel aktualisiert.

Der RESET App-Check: Mit aVOID Kinderarbeit meiden

Was tun gegen Kinderarbeit in der Textilindustrie? Das Plugin aVOID filtert die Online-Shoppingtour und hilft so, den Kauf von Kleidungsstücken, die unter solchen ausbeuterischen Bedingungen entstanden sind, zu vermeiden. Wir haben's getestet.

Fair Kaufen

Es ist nur fair, wenn ein Produzent für sein Produkt einen angemessenen Preis erhält und damit ein menschenwürdiges Leben finanzieren kann. Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, in denen man fair gehandelte Produkte nur in Weltläden kaufen konnte. Wo du faire Produkte bekommst und auf welche Siegel du achten kannst erfährst du hier.