Wenn Armut krank macht

Gesundheit ist für viele Menschen ein teures Gut. Circa 1,2 Milliarden Menschen unserer Welt leben in extremer Armut. Sie wohnen in Slums und haben weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. Armut führt zu schlechter Gesundheit, weil sie Menschen dazu bringt, unter Bedingungen zu leben, die sie krank machen.

Autor*in Rima Hanano, 13.08.10

Gesundheit ist für viele Menschen ein teures Gut. Circa 1,2 Milliarden Menschen unserer Welt leben in extremer Armut. Sie wohnen in Slums und haben weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. Armut führt zu schlechter Gesundheit, weil sie Menschen dazu bringt, unter Bedingungen zu leben, die sie krank machen. Dazu zählen das Fehlen eines festen Wohnsitzes oder beengte Lebensbedingungen, unsauberes Wasser, unzureichende Sanitäranlagen, Mangelernährung und eine schlechte oder nicht existierende Gesundheitsversorgung. Selbst das Fehlen einfacher Dinge wie zum Beispiel Moskitonetze hat starke Auswirkungen auf die Gesundheit in bestimmten Regionen. Weltweit verfallen jährlich über 100 Millionen Menschen in Armut, weil sie für ihre gesundheitliche Versorgung finanziell aufkommen müssen.

AIDS, Malaria und Tuberkulose

Die drei größten Armutskrankheiten sind AIDS, Malaria und Tuberkulose. Besonders betroffen davon sind die Entwicklungsländer: Hier werden 95% aller weltweiten AIDS-Fälle und 98% aller Tuberkulose-Infektionen verzeichnet. 90% aller Malaria-Toten finden sich im subsaharischen Afrika. Zusammen machen diese drei Armutskrankheiten 10% der weltweiten Sterblichkeit aus.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt weiterhin 14 spezifizierte Tropenkrankheiten zu den Armutskrankheiten, darunter das Dengue-Fieber, verschiedene Wurminfektionen, die Afrikanische Schlafkrankheit, die Leishmaniase („Black Fever“), die Lepra, die durch parasitische Fadenwürmer ausgelöste lymphatische Filariasis, die Flussblindheit sowie die durch Egel hervorgerufene Schistosomiasis. Insgesamt sterben jährlich circa 14 Millionen Menschen an Armutskrankheiten. Der Grund: Zu viele Menschen, die in ärmeren Ländern leben, werden vom medizinischen Fortschritt ausgeschlossen. Zum Beispiel kommen drei Viertel der 7 Mio. AIDS-Kranken in den Entwicklungsländern nicht an Medikamente, die das HI-Virus hindern, sich im menschlichen Körper auszubreiten.

Von der Forschung vernachlässigt

Jamesgrayking/Flickr (CCBY-NC 2.0)

Die Forschungslücke für vernachlässigte Krankheiten hat zwei Hauptursachen. Zum einen investieren pharmazeutische Unternehmen vorrangig in die Entwicklung von Produkten, für die es lukrative Absatzmärkte gibt. Zum anderen konzentriert sich die öffentliche Forschungsförderung ebenfalls auf die Krankheiten der reichen Länder. Ein Beispiel ist die Tuberkulose-Forschung. So brachte die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 nur 7,5 Mio. Euro in die Erforschung dieser Krankheit ein, während die USA 136, 8 Mio. Euro bereitstellten. Der insgesamt benötigte Bedarf liegt jedoch bei 1,5 Mrd. Euro.

In den letzten Jahren sind verschiedene Initiativen ins Leben gerufen worden, die speziell die Armutskrankheiten in den Entwicklungsländern bekämpfen. So haben die Vereinten Nationen mit „TDR“ ein führendes Programm für die Erforschung von Armutskrankheiten etabliert. 1975 ursprünglich als Special Programme for Research and Training in Tropical Diseases gegründet, wird es heute von UNICEF, the United Nations Development Programme, der Weltbank und der WHO ko-finanziert. Es operiert unter der Leitung der WHO.

Der im Jahr 2002 begründete Global Fund ist eine UNO-nahe Organisation, die sich der Finanzierung der Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose widmet. Sein Haushalt setzt sich aus freiwilligen Beiträgen der Geberländer und des privaten Sektors zusammen. Seit seiner Gründung wurden vom Globalen Fond Zuschüsse in Höhe von 22,9 Mrd. US-Dollar für Projekte in 151 Ländern bewilligt. Deutschland hat im Rahmen der Wiederauffüllungskonferenz  jährlich 200 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Außerdem unterstützt Deutschland als erstes Geberland die „Debt2Health“-Initiative („Schulden zu Gesundheit“) des Globalen Fonds.

2008 haben die Mitgliedstaaten der WHO den Aktionsplan „Global Strategy on Public Health Innovation und Intellectual Property“ verabschiedet, der die Forschungslücke schließen soll. Im selben Jahr erteilte der Bundestag der Bundesregierung den Auftrag, ein breites Spektrum von Plattformen zu fördern, um die Forschung zu den Gesundheitsbedürfnissen von Menschen in ärmeren Ländern zu verbessern. Die Verantwortung liegt hierbei beim Bundesforschungsministerium (BMBF). Zu seinen ersten Erfolgen zählen die Stärkung bereits existierender Förderungsmechanismen sowie das EU-Programm „European and Developing Countries Clinical Trials Partnership“ (EDCTP).

Ein neueres Programm zur Bekämpfung von Armutskrankheiten ist die „Afrika-Initiative“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie bringt afrikanische und deutsche Wissenschaftler zum Thema „Vernachlässigte Krankheiten“ zusammen und verfolgt mehrere Ziele: die Entwicklung von innovativen medizinischen Therapieformen für Armutskrankheiten, die Etablierung einer guten wissenschaftlichen Infrastruktur in Afrika, eine hochwertige Ausbildung von jungen afrikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und eine umfassende Vernetzung aller Beteiligten.

Konkrete Hilfe vor Ort

Die Lake Clinic versorgt Menschen in einer extrem abgelegen und unterversorgten Region von Kambodscha – dem Tonle Sap See. Foto: © Lake Clinic

Konkrete Hilfe vor Ort wird durch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGO`s) gewährleistet – zum Teil unter beschwerlichen und nicht ungefährlichen Bedingungen.

Beispielhaft seien „Ärzte ohne Grenzen“ und das deutsche Medikamentenhilfswerk action medeor genannt. Letztere haben – gemeinsam mit neun anderen NGO`s – die afrikanisch-europäische Initiative STOP MALARIA NOW! ins Leben gerufen. Das von der Europäischen Union ko-finanzierte Projekt hat zum Ziel, Malaria  stärker in den öffentlichen und politischen Fokus zu rücken und auf die weitreichenden Auswirkungen der Krankheit auf Entwicklungsländer hinzuweisen. Wenn man bedenkt, dass in Afrika alle 30 Sekunden ein Kind an Malaria stirbt, wird schnell klar, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Dabei kostet eine Therapie für ein an Malaria erkranktes Kind nur einen Euro.

Auch RESET setzt sich mit der NRO The Lake Clinic_Cambodia und dem Projekt The Lake Clinic für eine bessere medizinische Versorgung, für die notwendige Überweisung zur Weiterbehandlung sowie für die allgemeine Überwachung von Krankheiten in einer extrem abgelegenen und unterversorgten Region von Kambodscha – dem Tonle Sap See ein.

Ein weiteres internationales Bündnis ist die „Action for Global Health“. Als Zusammenschluss von NGO`s aus sechs verschiedenen Ländern bündelt es die Expertise zu Gesundheit und Armut. Sein Ziel ist es, die europäischen Institutionen dazu zu bewegen, die Entwicklungsländer angemessen bei der Erreichung der gesundheitsspezifischen Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 zu unterstützen. In Brüssel wird die Koordination für die EU-Institutionen durch die dort ansässigen European Public Health Alliance, PLAN International und die Stop AIDS Alliance gelenkt.

Schließlich sei die weltweit agierende Bill & Melinda Gates Stiftung genannt. Als größte Privat-Stiftung der Welt verfügt sie über einen Kapitalgrundstock von rund 35,2 Mrd. US-Dollar und verteilt längst mehr Geld als das Rote Kreuz oder die WHO. Auch wenn sie wegen mehrerer Vorfälle – unter anderem dem Handel mit Aktien dubioser Unternehmen – in der Kritik steht, hat sie bei der Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, der Bereitstellung von Impfstoffen gegen verschiedene weitere Armutskrankheiten und der Forschungsförderung viel geleistet.

Während weltweit Regierungen aufgrund der Finanzkrise mehrere Hundert Milliarden US-Dollar in Banken und Unternehmen pumpen, warten noch zu viele Kranke in den Entwicklungsländern auf eine medizinische Grundversorgung.

Gabriele Mante, RESET-Redaktion (2010)

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Oxfam erklärt die Steuer gegen Armut in 84 Sekunden

Schon länger setzt sich Oxfam zusammen mit anderen NGOs für eine Steuer gegen Armut ein, die sogenannte "Finanztransaktionssteuer". Wie das funktioniert erklärt dieses pfiffige Filmchen in 84 Sekunden.