Netzneutralität: Ein Thema für Demokratieentwicklung?

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Momentan wird viel zum Thema Netzneutralität diskutiert. Aber was bedeutet Netzneutralität eigentlich und welche Akteure mischen mit, wenn es darum geht zu entscheiden, wer wie was zuerst durch die Kabel auf unsere Bildschirme schickt?Die Wikipedia fasst zusammen: Netzneutralität

Autor*in RESET , 14.08.10

Momentan wird viel zum Thema Netzneutralität diskutiert. Aber was bedeutet Netzneutralität eigentlich und welche Akteure mischen mit, wenn es darum geht zu entscheiden, wer wie was zuerst durch die Kabel auf unsere Bildschirme schickt?

Die Wikipedia fasst zusammen: Netzneutralität

Netzneutralität ist eine Bezeichnung für die neutrale Datenübermittlung im Internet. Sie bedeutet, dass Zugangsanbieter (access provider) Datenpakete von und an ihre Kunden unverändert und gleichberechtigt übertragen, unabhängig davon, woher diese stammen oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben.

Wer mischt mit?
In der Debatte um die Bereitstellung bzw. den Transport der Informationen durch die Strukturen der Service Provider geht es also um mindestens zwei Kernaspekte: Die Gleichbehandlung aller Inhalte unabhängig von Qualität und Quantität der Daten.

An dieser Stelle sind nun die Service Provider gefragt, die nicht selten auch Produzenten von Inhalten sind, die von den Internetnutzern konsumiert werden. Man denke nur an große Portalseiten wie bspw. T-Online.

Telekom-Chef René Obermann hat sich kürzlich in einem Interview mit dem Manager Magazin kritisch zur Frage der Netzneutralität geäußert und deutete an, dass große Contentprovider mit datenintensiven Dienste die Kosten der Bereitstellung zu tragen hätten: Manager Magazin — Telekom will Apple und Google zur Kasse bitten

„Ein gut gemachtes Netzangebot ist am Ende auch kostenpflichtig“, erklärte Obermann.
[…]
Wenn die Telekom besondere Netzsicherheit oder höchste Übertragungsqualität zum Beispiel für Musik oder Video biete, müsse dies laut Obermann „auch differenziert bepreist werden“.

In dieser Woche kam es dann außerdem zur Veröffentlichung von Rahmenbedingungen für das zukünftige Internet. Google und der US-Netzbetreiber Verizon haben Regeln und Vorschläge ausgearbeitet, die zukünftig das ‚offene Internet schützen‘ sollen. Nachzulesen gibt es den Verizon-Google Legislative Framework Proposal auf Sribd. Der Schocker für die Internetgemeinde: Golem.de: Google und Verizon — Netzneutralität ja, aber…
Mit Ausnahme der Transparenzregeln sollen die Regeln der Netzneutralität für das mobile Internet nicht gelten.

Die Meinungen zum Proposal der beiden Branchengrößen sind geteilt, die Schlussfolgerung allerdings weitgehend unumstritten: TechCrunch — Google, Just Cut The BS And Give The Gordon Gekko Speech Already

There’s no clear consensus as to why Google is selling us out, but the consensus is that they are.

Erich Moechel berichtet auf der futurezone über die klaren Geschäftskonzepte, die hier für beide Konzerne Motivation zur Positionierung sind: futurezone — Googles Griff nach dem HD-TV. Thomas Knüwer hat einen eindeutigen Kommentar zur Situation:

Google, you just turned evil: http://ht.ly/2naoP And by the way: How stupid is your management? Is Eric Schmidt loosing it?

Und wie es aussieht, steht er damit nicht allein da: WIRED — Net Neutrality Protesters Call for Google to Stand Tall.

Im Gegensatz dazu sieht Matthias Schwenk auf Carta Chancen der Anpassung des Internets an unterschiedliche Bedingungen, wie wir sie ja jetzt schon de facto haben: Google, Verizon und das Netz der Zukunft

In diesem Sinne darf ein Internet der mehrstufigen Zugänge nicht als Einschränkung der Netzneutralität gesehen werden, sondern muss als Chance für Gesellschaft und Netzpolitik aufgefasst werden. Die Herausforderung besteht darin, mehr Vielfalt und neue Märkte zu schaffen, so dass künftig auch mehr kleine Anbieter mit ihren Angeboten am Markt bestehen können. Sich abschottende Märkte mit der Tendenz zur Monopolbildung gibt es im Internet schon genug, man denke da nur an die Rolle von Apple im Handel mit Musik.

Initiative Pro-Netzneutralität

Mit Initiative Pro-Netzneutralität hat sich nun eine Gruppe mit Parteimitgliedern der GRÜNEN und der SPD an vorderster Stelle gegründet, die sich für das Thema einsetzen.

Golem.de stellt die Initiative Pro Netzneutralität mit folgendem Ziel vor: Pro Netzneutralität — „Netzneutralität ist elementar für unsere Demokratie“

Es geht darum, dass Daten ohne Ansicht von Inhalt und Größe diskriminierungsfrei transportiert werden.

Während Internet-Aktivist Markus Beckdahl von netzpolitik.org sich trotz Parteinähe ausdrücklich für die Initiative ausspricht, gibt es auch kritische Gegenstimmen.

Netzpolitik.org: Petition pro Netzneutralität
Ohne Netzneutralität würde zunehmend eine Priorisierung durch die Internetanbieter stattfinden, entweder von eigenen Angeboten oder von Angeboten, die es sich leisten können, den privilegierten Zugang zu erwerben. Exklusive Partnerschaften zwischen Unternehmen würden zunehmen und gleichzeitig den wichtigen Grundsatz des freien Zugangs zum Internet künstlich beschränken. Die fatale Konsequenz: Statt Qualität, Sicherheit und Kreativität diktiert das Geld, welche Angebote im Internet nutzbar sind und welche nicht. Datenpakete würden nicht länger wie heute in den überwiegenden Fällen unabhängig von Inhalt und Anwendung gleichberechtigt übertragen werden.

Fefe hingegen stellt heraus, dass es bereits etablierte Organisationen wie den Chaos Computer Club (CCC) gibt, die diese Themen seit vielen Jahren mit Kompetenz und Konsequenz auf Sachebene und abseits der Parteiprogramme vertreten:

Das ist auch mein Hauptproblem mit der Initiative: das riecht für mich so, als sei das der Rehabilitierungsversuch der SPD. Die tun einfach so, als sei nichts gewesen, als hätte es die Internetsperren-Sache nie gegeben.

Außerdem räumt er mit einigen Missverständnissen auf, die sich programmatisch dazu eignen, die Forderung nach Netzpolitik als Banner des Gutmenschentums vor sich herzutragen:

Schon wieder nicht verstanden! Netzneutralität sichert nicht nur den Zugang zu Wissen, Netzneutralität sichert, dass ICH mich im Internet frei äußern kann und die Leute das auch lesen können. Das Internet ist eben kein Rundfunk, wo eine Hand voll Sender senden und der Rest soll bitte schön empfangen dürfen. Das Internet erlaubt mir, dass ich meine Meinung sagen kann, auch wenn ich nur ein kleines unwichtiges Würstchen bin, und das ehemalige Nachrichtenmagazin kann nicht durch Mauscheleien mit der Telekom dafür sorgen, dass die Telekom meine Inhalte nicht oder nur tröpfenweise durchlässt.

mspro fügt der Debatte einen Verweis auf den Aspekt der geschlossenen Netze im WWW hinzu: ich finde, zur netzneutralität gehört es auch, nicht auf seiten zu publizieren, die man nur als angemeldeter nutzer sehen kann. #facebook

Digitaler Aktivismus

Handys, Blogs und Social Networks: wie Aktivisten heute digitale Technologien nutzen, um für sozialen Fortschritt zu streiten, zeigen konkrete Beispiele aus der ganzen Welt - von ägyptischen Bloggern über Videoaktivisten in Syrien bis zum kenianischen Handyprojekt Ushahidi.