Darf’s ein bisschen weniger sein? Fleischalternativen öfter mal ausprobieren

Viele Menschen möchten sich bewusster mit ihrem Fleischkonsum auseinandersetzen und gerne auch mal verzichten. Doch attraktive Angebote zu finden oder auch manchmal den eigenen inneren Schweinehund der Gewohnheit zu besiegen, fällt ihnen schwer. Zwei Projekte möchten das Reinschnuppern in die vegetarische Ernährung erleichtern ohne zu ermahnen. Tut etwas für eure Gesundheit, gegen den Klimawandel und zum Spaß und das zum Beispiel halbzeit.

Autor*in Julian Furtkamp, 16.05.11

Den meisten dämmert’s: Gründe unseren Fleischkonsum zu reduzieren gibt es genug. Enormer Ressourcenverbrauch, Klimawandel, Massentierhaltung – die Liste der negativen Auswirkungen unserer Fleischproduktion ist lang. Laut Vebu, dem Vegetarierbund, überlegt auch rund die Hälfte der Deutschen, ihren Fleischverzehr bewusst zu vermindern. Aber Essen ist alltäglicher Genuss und Gewohnheit, da fällt die Umstellung Manchem doch sehr schwer.

Die Halbzeitvegetarier

Die Halbzeitvegetarier

Da setzt die Initiative Halbzeitvegetarier an: Nach der sympathisch klingenden Formel „Zwei halbe Vegetarier sind auch ein Ganzer!“, tun sich zwei zusammen und versuchen insgesamt nur halb so viel Fleisch wie bisher zu verzehren. Zum Einen kann man gemeinsam besser mit alten Gewohnheiten brechen, zum Anderen wird versucht, statt nur Verzicht zu sehen, im Team neue kulinarische Möglichkeiten zu entdecken. Statt Zeigefinger und Schreckensbildern gibt es Rezeptideen und Erfahrungsaustausch.

Der Start zum Halbzeitvegetarier ist ganz simpel: such dir deine Partnerin oder deinen Partner z.B. in der Familie, unter Freunden oder in der WG. Anfänglich überlegt ihr euch, warum ihr gerne weniger Fleisch essen wollt. Auf welche Dinge würdet ihr am ehesten verzichten wollen, auf was nicht? Macht euch bewusst, wie viel Fleisch jeder von euch bei seinen aktuellen Essgewohnheiten konsumiert. Euren gemeinsamen wöchentlichen Fleischverzehr halbiert ihr dann und habt ein Ziel für die erste Probewoche.

Um das auch zu erreichen macht es Sinn, die erste Woche schon ein bisschen im Voraus zu planen. Gibt es fleischlose Alternativen einiger Rezepte, die ihr besonders gerne mögt? Macht man den ein oder anderen Experimentiertag, an dem man ganz neue Rezepte ausprobiert? An welchen Tagen möchte man sich ganz bewusst Fleisch gönnen? Nach der Probewoche besprecht ihr, was euch gefallen hat, was einfach oder schwer fiel und was am besten geschmeckt hat. Vielleicht gibt es ja Dinge, die ihr ändern möchtet, und hoffentlich geht es dann nächste Woche erwartungsvoll weiter.

Zwei Tandems werden auch ab und an per Video besucht und berichten über ihre ersten Erfahrungen. Mit welchen Erwartungen die ins Projekt gestartet sind und wie es ihnen inzwischen dabei geht, könnt ihr bei Youtube sehen. Ein Fazit, was schon anklingt, ist, dass es, obwohl es ganz gut klappt, manchmal schwierig wird, wenn Vegetarier auf Nicht-Vegetarierer treffen. Dann gibt es doch die spontane Lust auf Fleisch, mal Unverständnis oder auch die Schwierigkeit ein Restaurant zu finden, das man gemeinsam besuchen möchte.

Video


Einmal in der Woche Veggietag

Die Aktion „Donnerstag ist Veggietag“ versucht auch den Vegetarismus aus der Nische zu holen, als lohnende Genuss-Alternative bekannt zu machen und für mehr Akzeptanz zu werben. Sie geht auf den Aufruf Sir Paul McCartneys und Dr. Rajendra Pachauris zurück, an einem bestimmten Tag in der Woche möglichst konsequent auf fleisch- und fischfreie Produkte zurückzugreifen. Hier wird vor allem versucht Firmen zu überzeugen, in ihren Kantinen einen Tag mit Schwerpunkt vegetarischer Kost einzurichten. Gemeinden sollen Aktionen ins Leben rufen, die Restaurants, öffentliche Einrichtungen und Bürger überzeugen, wöchentlichen einen vegetarischen Tag einzulegen.

Es geht dabei ausdrücklich nicht darum Fleischverzehr unmöglich zu machen oder gar Knöllchen für eine Currywurst zu verteilen. Es ist lediglich so, dass in den freiwillig teilnehmenden Restaurants, Mensen oder Kitas hauptsächlich vegetarische Kost angeboten wird und an diesem Tag nur ein oder wenige Ausweichgerichte mit Fleisch oder Fisch angeboten werden. Gegebenenfalls ist somit nur einmal wöchentlich die Sicht umgekehrt: Man fragt nicht wie sonst explizit nach vegetarischen, sondern nach fleischhaltigen Gerichten.

Zu den größeren teilnehmenden Städten zählen Gent, das den weltweit ersten fleischfreien Tag einführte, oder São Paulo, wo der Montag vegetarisch ist, da in Brasilien traditionsgemäß montags neue Dinge gestartet werden. In Deutschland sind es Bremen, Magdeburg und Wiesbaden aber auch kleinere Orte wie z.B. Schweinfurt, Deggendorf, der Landkreis Rotenburg oder die Klimainsel Juist. Und weitere Städte zeigen auch schon positives Interesse am Veggietag.

Das Schöne an beiden Initiativen ist der undogmatische Ansatz, der nicht Fleisch verbieten oder verpönen und den Blick auf Lust statt Verzicht in Bezug auf Vegetarisches lenken möchte. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen für beides: wie wir Fleisch und Fisch konsumieren und wie wir es nicht tun. Einer, der das grandios nicht verstanden hat, ist Philipp Rösler, der in seiner Antrittsrede zum neuen Parteichef der FDP von einem Fleischverbot sprach, um sich gegen die Grünen zu positionieren, die den Veggie-Day nach einem Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz im November 2010 unterstützen.