Cognitive Cities: Wenn Städte denken lernen

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Stadtplaner, Designer, Software-Entwickler und viele andere diskutierten am Samstag in Berlin über Städte in Zeiten der Digitalisierung. Und stellten Projekte und Ideen vor, die Städte in Zukunft lebenswerter machen sollen.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 01.03.11

Stadtplaner, Designer, Software-Entwickler und viele andere diskutierten am Samstag in Berlin über Städte in Zeiten der Digitalisierung. Und stellten Projekte und Ideen vor, die Städte in Zukunft lebenswerter machen sollen.

Am Samstag ging es zur Cognitive Cities Conference in Berlins aufsteigendem Kiez Neukölln. Worum es dabei geht? Im Interview bei t3n haben Peter Bihr und Igor Schwarzmann eine gute Erklärung gegeben: Städte können natürlich nicht denken und haben kein Bewusstsein – aber durch zunehmende Vernetzung und Digitalisierung werden sie in Zukunft stärker mit ihren Bewohnnern interagieren können. Smartphones, Sensoren, Lesegeräte usw. erzeugen und lesen jeden Tag eine Menge Daten.

Was sich damit alles anfangen lässt – im Guten wie im Schlechten – beginnen wir gerade erst zu lernen, wenn wir mit Foursquare im Café einchecken oder uns mit GPS durch die Stadt lotsen lassen.

Die Öffentlichkeit der Stadt

Eines der Highlights der Konferenz war die Keynote von Adam Greenfield (Urbanscale). Er betonte, dass wir nicht nur Konsumenten der Stadt, sondern auch ihre Erbauer sind. Der öffentliche Raum soll auch in der vernetzten, „kognitiven” Stadt gesichert werden und nicht allein privaten Interessen unterworfen sein. Seine Forderung lautete deshalb, die im städtischen Raum entstehenden Daten auch öffentlich zugänglich zu machen und genau zu hinterfragen, wem die Technik im öffentlichen Raum eigentlich dient – allen oder einzelnen? Vitale öffentliche Räume können nur erhalten bleiben, wenn das „Infodesign“ niemanden ausschließt, so Greenfield.

Meine Daten, deine Daten

Was vor allem auffiel, sind die starken Pole, zwischen denen sich die Nutzung der durch Handys gewonnen Daten bewegt. Einerseits werden sie allzuoft verwendet, um dem Kunden noch mehr halbwegs sinnvolle Software anbieten zu können oder fragwürdige Datenhortung damit zu betreiben. Andererseits ermöglichen sie die Spurensuche nach der „Living City“, der ungeplanten, der alltäglich gelebten Stadt, wie dies Anil Bawa-Cavia (Urbagram) vorstellte. Allerdings scheinen die sehr anschaulichen Datensätze kaum mehr auszusagen, als jeder einzelne Stadtbewohner bereits weiß, z.B. wann sich wo die großen Pendlerströme bewegen.

Einen spannenden und sinnvollen Einsatz dieser Technik stellte Dietmar Offenhuber mit SENSEable City Lab vor: im Rahmen des Projekts trashtracks wurden die verschiedensten Müllartikel mit Sendern (ähnlich derer in unseren Handys) ausgestattet, um dann ihre teilweise abwegige Reise durch die USA verfolgen zu können. Eine schöne Idee mit erschreckenden Erkenntnissen, die auch fortgeführt werden soll – eine neue Projektphase ist bereits in Planung. 

Daten für den Bürger

Ein weiteres sehr ausbaufähiges Einsatzfeld moderner Technologien ist die Idee des Open Government, sehr bildreich vorgestellt von Ton Zijlstra (FabLab.nl). Die Grundidee ist, den Menschen die langweilig und unverständlich agierende Regierung näherzubringen; vor allem aber, Informationen zur Verfügung zu stellen – als Grundvorraussetzung für den aktiven Bürger. Einerseits dadurch, dass die riesigen Datenmengen der Bevölkerung zugänglich gemacht werden, die Regierungen permanent produzieren. Das soll dabei helfen, die eigene politische und soziale Umwelt zu verstehen. Andererseits sollen mit den offenen Daten Netzwerke entstehen, die Raum für Beteiligung durch Informationsaustausch, Kommunikation und dann vielleicht auch Mobilisierung bieten (interessant hierzu auch der Artikel zu Digitalem Aktivismus).

Schöner wohnen und leben

Vieles stellte sich zum aktuellen Zeitpunkt noch als Spielereien mit offenem Ende heraus: Juha van’t Zelfde mit VURB aus Holland stellte seine Entwicklung des Smartphones als Fernbedienung für Diskolichter, Strassenlaternen und Restaurantbeleuchtung vor, die eher mehr Fragen aufwarf als beantwortete. Oder auch Georgina Voss mit ihrem Projekt „Homesense„, eine Bottom-Up-Initiative, die Menschen helfen möchte, das eigene Zuhause zu einem „smart home“ umzurüsten. Die Idee ist, mit einfacher Technik individuelle Bedürfnisse zu befriedigen, z.B. Bewohner mit einem Lautstärkesensor in der Wohnung mitzuteilen, wenn eine bestimmte Lautstärke überschritten wird.

Ökologische Aspekte kamen auch vor, wenn auch nicht in jedem Fall: Es gab eigentlich nur einen Vortrag von Vini Tiet (ICADE), der energiesparende Architekturen vorstellte, zentral hier die Frage, wie Technologien sinnvoll eingesetzt werden können, um Energie einzusparen, ohne dass die Daten ins unüberschaubare explodieren.

Zum Mittag: Plastik

Einen Kritikpunkt gibt es allerdings: Das Catering war aus ökologischer Sicht eine Katastrophe: Zum Lunch trug jeder Teilnehmer einen Plastikbehälterturm aus einzelverpackten Salatklecksen vor sich her, dazu gab es Plastikbesteck in Papiertüten. Zum Frühstück kam jeder mit zwei Plastikbehältern aus, zur Kaffeepause immerhin nur ein Plastikbecher samt Plastiklöffel – jede Menge Müll und doch nicht satt! 

Fazit: CoCities war eine inspirierende Veranstaltung, der es gelang, das breite Spektrum der modernen, digitalen Stadt abzustecken und in einem großen Überblick darzustellen.

Indra Jungblut und David Pachali, RESET-Redaktion.

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